© Verlag C.H.Beck, 2022

Buchempfehlung: Geschichte des Designs

von Melanie Kurz und Thilo Schwer


In der bewährten Reihe „C.H. Beck-Wissen“ erzählen Melanie Kurz und Thilo Schwer – beides Fachleute für Designtheorie und -geschichte – konzis die Geschichte des (Produkt-)Designs. In neun Kapiteln werden die Entwürfe ikonischer Alltagsgegenstände – vom Thonet-Stuhl bis zum iPhone, also von der Industrialisierung bis heute – anschaulich und reich bebildert dargestellt.

 

Dazu umreißen Kurz und Schwer zunächst den Begriff von Design bzw. des Designers. Entscheidend ist dabei der Definitionskern: „[…] die Trennung zwischen Entwurf und Fertigung“. (S. 8)

 

Die Zeit der industriellen Revolution ist Gegenstand des zweiten Kapitels: die Dampfmaschine, Entstehung des Industrie-Unternehmers und der Arbeiterklasse und die damit einhergehende Produktivitäts- und Qualitätssteigerung. Der Thonet-Stuhl „Modell Nr. 14“ von 1851 dient als erstes Anschauungsobjekt. Die minderwertige Ästhetik des Historismus habe sich dann besonders bei der ersten Weltausstellung in London 1851 gezeigt – obwohl der sog. Kristallpalast von Joseph Paxton als Meisterleistung des Architektur-Designs gilt.

 

Auf den Historismus folgen die Reformbewegungen: Arts & Crafts in Großbritannien (z. B. William Morris, John Ruskin), Lebensreformbewegung (etwa Gartenstädte) und der Jugendstil mit seinen Ornamenten und floralen Elementen (z. B. Henry van der Velde).

 

„An der Schwelle zum modernen Produktdesign“ steht die aus sozialen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten begründete Hinwendung zu funktionalistischen Gestaltungsprinzipien. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dieser Phase: Shaker-Stuhl, die Grundidee „form follows function“ (die allerdings häufig missverstanden worden sei – der Ausspruch Louis Henry Sullivans von 1896 verbot in seinem Verständnis keine dekorativen Zusätze, sondern sollte die dreiteilige Fassadengliederung für Bürogebäude propagieren und ein Wechsel dieser Außengestaltung bei gleichbleibender Funktion nicht rational sei). Weiter geht es mit den Ideen des Deutschen Werkbunds, den Arbeiten Peter Behrens’ und seiner „Erfindung“ des Corporate Designs (für AEG) und der ersten Phase des Bauhauses in Weimar. Der Erste Weltkrieg habe zu einem tiefen Einschnitt kurz vor der Gründung der Reform- und Kunstschule geführt: „Die im Krieg noch stärker rationalisierte Massenfertigung setzt sich nunmehr in allen Bereichen der Produktion durch.“ (S. 43) – verstärkt also die Hinwendung zu funktionalistischen Gestaltungsprinzipien weiter.

 

Das folgende Kapitel beschreibt einen Punkt der Designgeschichte der Zwischenkriegszeit, der „im Spannungsfeld von Wirtschaft, Sozialpolitik, Technik und Kultur vielfältige Neuerungen hervorbringt“ (S. 60). Zunächst das Bauhaus unter Hannes Meyer mit dessen Maxime „Volksbedarf statt Luxusbedarf“. Design verstand er nicht länger als künstlerische denn als soziale Aufgabe. Das „Neue Frankfurt“ unter Ernst May folgen; daran anschließend die 6,5 Quadratmeter kleine „Frankfurter Küche“ von Margarte Schütte-Lihotzky – Rationalisierung, ähnlich wie in Fabriken und Büros, auf dem Gebiet der Hauswirtschaft war ihr Ziel. Dazu nutze sie optimale Wegstrecken sowie spezielle Ausstattungsmerkmale und schuf damit das bekannteste Produkt der Abteilung Typisierung des Frankfurter Stadtbauamts.


Die Franfurter Küche (aus Kurz/Schwer: Geschichte des Designs (S. 58)

Auf wenigen Seiten schildern Kurz und Schwer die „Designführerschaft der USA in der Nachkriegszeit“ mit dem sog. Traumwagenstil, dem Stromliniendesign und Raymond Loewys MAYA-Formel (= „Most advanced, yet acceptable“), das zu einem Schlüsselprinzip der Marktpsychologie wurde. Für Rosentahl gestaltete Loewy zusammen mit Richard Latham den Design-Klassiker „Form 2000“ mit einer Kombination aus traditionellen und innovativen Formelementen.

 

Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder sowie Nachkriegsfunktionalismus der beiden deutschen Staaten sind die Themen des folgenden Kapitels. Zunächst mussten im besiegten Deutschland die Grundbedürfnisse befriedigt werden – für Designfragen blieb bis zum Marshall-Plan kein Raum. Der Rat für Formgebung (1951) und der „Bundespreis Gute Form“ ab 1969 sind wichtige Impulsgeber für (west-)deutsches Produktdesign, ebenso der Hochschule für Gestaltung Ulm (ab 1953; die wichtigsten Namen sind Otl Aicher und Max Bill), der viele Seiten im Buch eingeräumt werden. Die Entwicklungen im Osten lassen sich unter „Formalismusdebatte“ (der Versuch, sich auch in Design und Gestaltung vom dekadenten Westen abzugrenzen) und „VEB Deutsche Werkstätten Hellerau“ zusammenfassen. Das Kapitel wird durch einen Rundumblick auf das europäische Ausland abgerundet.

 

Die beiden letzten Kapitel, welche die Entwicklung des Produktdesigns von den 1960er Jahren bis heute darstellen, fallen deutlich schwächer aus, was schon die mit Schlagwörtern gefüllten Überschriften befürchten lassen. Sie stellen sechzig Jahre (!) Designgeschichte auf knapp 25 Druckseiten vor, in einer Aneinanderreihung von Namen und Begriffen wie „Postmodernismus“, „Space-Age-Design“, „Digitalisierung“ und „Rapid Prototyping“.

 

Insgesamt fällt die Lektüre des Buches von Kurz und Schwer kurz aus, aber nicht schwer. Auf 128 Druckseiten stellen Autorin und Autor in verständlicher Sprache prägnant die wichtigsten Entwicklungsschritte des Produktdesigns dar und setzten dabei sinnvolle Schwerpunkte. Und daß Produktdesign und Verpackungsdesign in engem Zusammenhang stehen, können Sie allein an der Abbildung auf S. 75 erkennen: Wilhelm Wagenfelds Salz- und Pfefferstreuer „Max + Moritz” (1953 entworfen) – mit der dazugehörigen Verpackungs-Gestaltung.


WMF: Max+Moritz (aus: Kurz/Schwer: Geschichte des Designs, S. 75<9



Das besprochene Buch können Sie bei uns im Museums-Shop kaufen.

 

Melanie Kurz, Thilo Schwer: Geschichte des Designs

Verlag C.H. Beck, München 2022

128 Seiten, 39 Abb., broschiert, 12,00 € ISBN 978-3-406-78813-0



Florian Schmidgall, Deutsches Verpackungs-Museum